H. Doerffel, mündlich
Chronik der
DDR-Zeit

1976 Cyanvergiftung der Zschopau

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... flossen nach einer "Havarie" im Motorradwerk große Mengen Kupfer-Cyanid in die Zschopau, so dass in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz) Tankwagen zur Trinkwasserversorgung eingesetzt wurden.

www.mittweida.de
Im Sommer dieses Jahres [1976] kam es durch ausgetretene Giftstoffe aus dem Motorradwerk Zschopau zum großen Fischsterben in der Zschopau. Zwei Wochen lang werden durch die Feuerwehr Mittweida tote Fische geborgen.


Kommentar: Krumhermersdorf liegt an der Zschopau. Krumhermersdorfer Einwohner (bis auf die Angler) waren von diesem Unfall praktisch nicht betroffen. Dieser Unfall, der auch als Cyan-Katastrophe bezeichnet wurde, findet im Internet fast kein Echo. Deshalb soll hier daran erinnert werden. Der Autor war 5 Jahre nach dem Unfall Energetiker im Motorradwerk und saß in einem Zimmer mit damaligen Wasserbeauftragten, von dem er einige Informationen bekam. Wahrscheinlich hatte dieser Giftunfall auch Einfluss auf die Regierungsentscheidung 1977, in Hohndorf ein neues Werk zu bauen, und die Galvanik dorthin zu verlegen.

Der VEB Motorradwerk Zschopau verfügte 1976 über eine eigene Galvanik-Abteilung. Die Abwässer dieser Abteilung flossen in einem eigenen Sammler bis zu einem "Entgiftungsbecken" im unteren Hof des Werkes. Dort wurden (u.a.) Cyanide mit Chlorlauge entgiftet. Das Abwasser dieses Beckens floss in die Zschopau.

1976 passierte es, dass der komplette Inhalt dieses Beckens durch ein Versehen ungeklärt in die Zschopau gelangte. Von der Menge der Cyanide im Abwasser macht man sich eine Vorstellung aus der Tatsache, dass durch diesen Unfall die Fische zwischen Zschopau und Mittweida starben. "Tonnenweise", sagte mir ein Feuerwehrmann, der in der gleichen Abteilung arbeitete, "haben wir tote Fische rausgeholt."

Was damals als Umweltkatastrophe diskutiert wurde, war jedoch nur ein Teil der Wahrheit. Das Cyan war zwar tödlich gewesen, aber relativ schnell wieder abgebaut, da es durch Luftsauerstoff oxidierte. Viel schwerwiegender war aber wohl der Eintrag des Schwermetalles Chrom in den Fluss. Zwar sollte Chrom im Entgiftungsbecken ausgefällt werden, doch wurde der DDR-Grenzwert für Chrom im Abwasser zwischen 1980 und 1983 permanent um das bis zu 50-fache überschritten. Da Chrom nicht auf natürlichem Weg verschwindet, dürfte der Grund der Zschopau unterhalb des Motorradwerkes auf Jahre merklich Chrom enthalten haben.

Generell ist zu sagen, dass man aus heutiger Sicht damals SEHR lässig mit Giften im Motorradwerk umging. Der Autor war beispielsweise Zeuge des folgenden Vorfalles: Ein Gabelstapler fuhr auf seiner Gabel ein Fass Natriumcyanid die Werksstraße hinunter (Ein deutlicher Aufkleber war am Fass!). Der Fahrer hatte beim Aufladen das Fass veletzt, so dass eine weiße Cyanspur vom Lagerort bis in die Härterei verlief. Ehe der Autor jemanden alarmieren konnte, setzte feiner Regen ein und spülte die hochgiftige Substanz in die Kanalisation. - Noch ein Beispiel: Durch seine Arbeit als Energetiker bedingt, vermaß der Autor damals die Abluftströme aus den Abzügen über den Abteilungen. Seine erfahrenen Kollegen warnten ihn ausdrücklich vor den Abluftrohren über Härterei und Galvanik: "Dort kommt soviel Blausäure raus, dass du in fünf Minuten tot bist."