Freie Presse 12. Februar 1996
Nachrichten
seit 1990

Zschopau:»Seit 1990 33.591 Arbeitslose
Dienststellenleiter Schiffner: Politiker in Verantwortung

Die Zschopauer Dienststelle des Arbeitsamtes Annaberg verzeichnet in der Januarstatistik eine extrem hohe Arbeitslosigkeit. Sie hat fast wieder den absoluten Höchstwert erreicht. Und die Prognose für den laufenden Monat sagt noch eine Steigerung voraus. Deshalb befragte unser Redaktionsmitglied Thomas Schmidt den Leiter der Zschopauer Dienststelle, Matthias Schiffner, zu den Ursachen für diese Situation.

So geht es weiter im Arbeitsamtsbezirk Annaberg.
Herr Schiffner, 4.248 Arbeitslose im hiesigen Bereich, eine sachsenweit höchste Quote von 23,5 Prozent und fünftletzter Platz bundesweit, sind das nicht Alarmsignale?

Natürlich. Die Lage ist ernst, daran gibt es nichts zu beschönigen. Es zeigt aber auch, daß der politisch geförderte Arbeitsmarkt durch AB- und 249-h-Maßnahmen nicht zurückgefahren werden darf.

Viele finden ja in solchen Maßnahmen Lohn und Brot. Wie sähe denn die Quote aus, wenn all diese Menschen als "echte" Arbeitslose geführt würden?

Sie würde bei etwa 50 Prozent liegen. Wir haben in unserem Bereich 18.100 Menschen im erwerbsfähigen Alter. Davon sind 4.248 arbeitslos, an die 5.000 sind in ABM, Umschulung, 249 h oder bereits in der Sozialhilfe registriert.

Wo liegen denn die besonderen Ursachen, daß die Zahl so drastisch anstieg? Wie wird es weitergehen?

Im Januar schlägt zu Buche, daß es dem Baugewerbe aufgrund der Witterung sehr schlecht geht, deshalb saisonbedingte Kündigungen nicht ausbleiben. Dies betrifft fast alle Unternehmen. 2.400 Zugänge kommen allein aus diesem Bereich, wobei die meisten eine Wiedereinstellungsgarantie haben. Der WIG-Konkurs oder das ausgelaufene 249h-Projekt im MZ-Altstandort taten ihr übriges. Im Februar steigen die Zahlen noch, das wissen wir schon wegen neuer Kündigungen.

Wie haben sich die Zugänge von Kleinolbersdorf-Altenhain, Grünhainichen und Borstendorf zur Dienststelle Zschopau beziehungsweise die Abgänge der Orte Gelenau, Ehrenfriedersdorf, Jahnsbach, Herold und Thum zu Annaberg bemerkbar gemacht?

Zahlenmäßig nicht mehr. Inzwischen liegen wir wieder bei den Werten vom September, als dieser Wechsel noch nicht stattgefunden hatte. Nur mit dem bitteren Beigeschmack, daß ja die Emwohnerzahlen der neuen Gemeinden wesentlich geringer sind als die, die zur Dienststelle Annaberg gingen.

Wie soll denn nun diesem Fiasko Einhalt geboten werden?

Wir werden 1996 allein 37 Lehrgänge anbieten. Außerdem setzen wir auf Teilzeit-ABM, um möglichst vielen die Chance auf Arbeit zu geben. Und einige Bereiche - wie den Fremdenverkehr - beleuchten wir ganz kritisch. Dort müssen die Kommunen ihrer Pflicht nachkommen. ABM werden dabei nur noch flankierend genehmigt.

Wird es nicht Widerstand gegen Teilzeit-ABM geben, weil dann künftige Bezüge geringer werden?

Prinzipiell erhalten die, die wieder arbeitslos werden, die höheren Bezüge, wenn sie vor ihrer ABM einen besseren Lohn hatten. Aber es ist auch so, daß viele in ABM mehr verdienen als bei Unternehmen. Dies ist irgendwo ungerecht. Wir müssen also Teilzeit-ABM umsetzen, um gerecht zu verteilen.

Die Frauen sind am ärgsten betroffen. Was wird für sie getan?

Wir wollen zu 70 Prozent Frauen in ABM vermitteln, weil wir derzeit 2514 arbeitslos gemeldete Frauen haben. Dies wird vor allem im Umweltbereich der Fall sein.

Wie hat sich die Arbeitslosigkeit insgesamt entwickelt?

Seit 90 hatten wir 33.591 Anmeldungen von Arbeitslosen. Insgesamt 19.088 Menschen konnten wieder vermittelt werden. Davon allerdings 11.708 "nur" in ABM. Dies zeigt klar, daß die Politiker in der Verantwortung stehen.