Freie Presse 2. und 3. Mai 2005 Dirk Trautmann/Mike Baldauf
Hermann Doerffel (eigener Kommentar)
Nachrichten
seit 1990

Selbsthilfe für die Hauptstraße
Krumhermersdorfer Bürger bessern rund 150 Meter ihrer desolaten Ortsdurchfahrt in Eigeninitiative aus

Anita und Ronny Richter, Marcel Morgenstern sowie Toni Strobet (v. L) gehörten zu den Krumhermersdoifem, die am Samstag zur Ausbesserung der von Schlaglöchern gekennzeichneten Hauptstraße zur Selbsthilfe griffen.
Die Krumhermersdorfer Hauptstraße ist seit Samstag zumindest ein kleines Stück wieder ohne Schlängellinien befahrbar. Anwohner der Häuser Hauptstraße 21 bis 26 haben rund 150 Meter der Schlaglochpiste selbst mit Teeremulsion ausgebessert.

»Seit sechs Wochen ist der Winter vorbei, doch getan wurde bisher nichts. Als bekannt wurde, dass der Landkreis kein Geld für die Straßenflickung hat, war das für uns der Startschuss«, erklärt Frank Uhlmann. Der Krumhermersdorfer war Initiator der Aktion, und alle Anwohner des betroffenen Straßenteils beteiligten sich entweder selbst mit Schaufel und Besen oder zumindest an den Kosten. »Die Ausbesserung dieses etwa 150 Meter langen Stücks kostet uns rund 150 Euro: die Teeremulsion 100, der Splitt etwa 50 Euro«, zählt Uhlmann auf. »Wir wollen ein Zeichen setzen, dass auch mit wenigen Mitteln etwas erreicht werden kann.«

Renaissance des Subbotniks

Hilfe zur Selbsthilfe wiederbelebt

VON MARTINA BRANDENBURG

Eine Rückkehr in alte Zeiten erlebte am Samstag die Gemeinde Krumhermersdorf. Der Subbotnik, die freiwillige, unentgeltliche kollektive Arbeit sowjetischer Werktätiger an arbeitsfreien Tagen, die auch in der DDR zur Verschönerung des Wohnumfelds fleißig betrieben wurde, erfuhr eine Neuauflage. Die Krumhermersdorfer haben damit gezeigt, wie satt sie es haben, sich auf der Rumpelpiste vor ihrer Haustür Autos und Fassaden zu ruinieren. Damit war dieser Einsatz mehr als nur Verschönerung, sondern Teil einer elementar notwendigen Straßenausbesserung. Doch die Selbsthilfe auf 150 Metern sollte den Verantwortlichen zeigen, dass solchen Aktionen der Bürger Grenzen gesetzt sind, sie ihren Pflichten auch bei knappen Kassen nachkommen müssen.

»Im Straßenbelag sind acht Schichten zu erkennen, alles nur Flickwerk. Das Teergemisch wird oft in noch nasse Schlaglöcher gefüllt. Eine Walze fährt kurz darüber, macht alles breit, und das war es« ist der Organisator mit den bisherigen Arbeiten nicht zufrieden. Er hatte sogar dem Zschopauer Oberbürgermeister Klaus Baumann (CDU) sowie dem Bauamt sein Vorhaben angekündigt: »Die sagten nur, dass die Aktion ziemlich verrückt ist.« Den Eingriff in den Straßenverkehr, der ihm vorgeworfen werden könnte, sieht er an anderer Stelle längst gegeben: »Die ganze Hauptstraße ist eine Gefährdung des Straßenverkehrs.«

Der 17-jährige Toni Strobel und der 23-jährige Marcel Morgenstern bereiteten in einer Schubkarre das Gemisch aus Emulsion und Splitt vor, führen es an die Schlaglöcher und füllten diese. Frank Uhlmann klopfte mit einer Schaufel die Masse fest und fixierte sie mit einem Gasbrenner: »Das gibt einen besseren Ubergang zum Straßenteer.« Am Schluss noch etwas Sand darauf, und die Straßenbaubrigade aus lauter Laien zog weiter zum nächsten Loch.

Anita und Fr ank Richter verfolgten die Aktion wohlwollend. Sie hatten ihr Haus vor einem Jahr neu geputzt, doch Dreck- und Schlammspritzer von vorbeifahrenden Autos, die durch die Schlaglöcher rumpelten, verdreckten den hellen Anstrich. »Wir haben den Putz abgespritzt, doch ganz sauber ist er nicht wieder geworden«, ist Anita Richter zornig. »Da heißt es immer, dass der Ort verschönert werden soll ...«

Passant Günter Clauß nahm beim Vorbeigehen die Mütze vor den "Subbotnikern" ab: »Ich ziehe den Hut vor euch«, sagt der 77-Jährige. »Das müsste eigentlich der Landkreis machen, doch es geschieht einfach nichts.«


10. Mai   
Also ...
eine gute Idee war das schon: Statt lange Reden zu halten etwas Nützliches zu tun. Wenn ich nun Politker wäre und (wie üblich) klamm in der Staatskasse, dann würde mir außer einem Lob für die Beteiligten noch was ganz anderes einfallen. Offenbar wollen und können doch die Anwohner von Kreisstraßen selbst für die Straßeninstandhaltung sorgen - da ließen sich doch Millionen sparen ...
Was nun das Landratsamt betrifft, so sollte man ja meinen, dass es rot bis hinter die Ohren wird und was von "tschuldigung, haben euch bissel vergessen" murmelt. Denn Geld für die Flickkolonne scheint doch da zu sein, siehe Bild vom 10. Mai. Doch von solchen Gefühlen ist keine Spur zu bemerken - siehe Meldung vom 3. Mai. (Kommentar HD)


Keine Konsequenzen

Die Amateur-Straßenbauer in Krumhermersdorf brauchen vermutlich kein behördliches Nachspiel zu fürchten. Der Landrat habe Verständnis für Menschen, die zur Selbsthilfe greifen. Albrecht Kohlsdorf hätte an gleicher Stelle nicht anders gehandelt, sagte gestern Gisela Clausnitzer, Sprecherin des Landratsamtes in Marienberg, nach einem Gespräch mit dem Verwaltungsleiter zu dem Thema. Die Möglichkeit, dass die Kreisbehörde als Baulastträger die Einwohner, die am Wochenende beherzt zu Besen und Schaufel griffen und die Straße vor ihrer Haustür in Eigenregie ausbesserten, zur Verantwortung zieht, war durchaus gegeben. Denn falls Verkehrsteilnehmer wegen der nicht fachgerechten Ausführung Schaden erleiden, können Haftungsansprüche auf den Kreis zukommen. Indessen versicherte Clausnitzer, dass in der nächsten Woche eine Flickkolonne die Straße ausbessern wird. (mik)

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KOMMENTAR VON MIKE BALDAUF

Aktion mit Symbolkraft
Zur Löcherflick-Aktion

Anwohner greifen zur Selbsthilfe und bessern mit eigenen Mitteln eine Kreisstraße aus, weil sie sich ob der vielen Schlaglöcher nicht mehr anders zu helfen wissen. Eine Aktion, die vor allem symbolischen Charakter trägt und zeigt, dass im Freistaat etwas im Argen liegt. Die Frage, ob sich die Anwohner mit ihrem Einsatz an Recht und Gesetz gehalten und den Zustand der Straße tatsächlich verbessert haben, tritt dabei zunächst in den Hintergrund. Insofern geht es in Ordnung, wenn die Behörden ein Auge zudrücken und Sympathie bekunden.


Noch ein Kommentar Ende Mai

Die Ausrede, kein Geld sei vorhanden, hatte offenbar kurze Beine. Nun fragt sich doch der unkundige Zeitungsleser ganz besorgt, warum es jetzt schon wieder nicht gehen soll mit der Straßenflickerei. Vielleicht weil an dieser Straße kein Landrat wohnt oder kein Straßenrennen veranstaltet wird? - Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, sagt man. Also fehlt es wohl bei den Verantwortlichen am Willen ...(H.D:)

Links: Freie Presse 31.05.2005