Die Bürger werden um Stellungnahme gebeten

Gemeindeverwaltung Krumhermersdorf
Herrn Bürgermeister Tausch
09434 Krumhermersdorf

13.10.97

Eingemeindung Krumhermersdorfs nach Zschopau

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,

im Nachrichtenblatt der Gemeinde Krumhermersdorf schreiben Sie, dass unser Ort nach Zschopau eingemeindet werden soll. Ich halte das für falsch und bitte Sie, diese Stellungnahme bei der Entscheidung zu o.g. Vorhaben zu berücksichtigen.

Zur Begründung:

  1. Krumhermersdorf war zwar seit seiner Gründung mit verschiedenen Orten verwaltungsmäßig enger verbunden, jedoch bis heute ein selbständiger Ort. Damit hat sich ein Zustand etwa 800 Jahre bewährt. Das ist nicht zwingend ein Grund, auf Veränderungen zu verzichten, jedoch ein Grund, Argumente für eine solche Veränderung außerordentlich sorgfältig zu prüfen. Die angegebene Frist 20.10.97 bis 20.11.97 scheint mir erheblich zu kurz zu sein und nur eine Art Alibifunktion zu erfüllen.
  2. Ein Zusammenwachsen von Krumhermersdorf und Zschopau liegt nicht vor. Weder grenzt bebaute Fläche aneinander, noch ist die verkehrsmäßige Anbindung überdurchschnittlich eng, noch liegt eine besondere Verflechtung von Wohn- und Arbeitsgebieten vor.
  3. Das in der Presse immer wieder bemühte Argument, ein solcher Zusammenschluss bringe finanzielle Einsparungen mit sich, ist nirgends mit Fakten belegt. Im Gegenteil, jeder Zusammenschluss von Verwaltungseinheiten seit der Wende hat den Verwaltungsaufwand erhöht. Und zwar sowohl finanziell als auch personell.
  4. Jeder Zusammenschluss von Verwaltungseinheiten produziert zusätzlichen Verkehr:
    • Mitarbeiter der Verwaltung müssen im Durchschnitt weiter fahren bis zu ihrer Dienststelle.
    • Bürger müssen zu den Ämtern fahren, früher konnten viele ihr Amt zu Fuß erreichen.
    Bei der Verkehrs- und Parkplatzsituation in Zschopau ist das unzumutbar. Und auch generell muss Verkehr abgebaut werden im Interesse der Umwelt, auf der Klimakonferenz hat sich Deutschland dazu verpflichtet. - Dass Vor-Ort-Ansprechstellen erhalten bleiben, ist unglaubhaft, das hat uns der Zusammenschluss der Kreise Zschopau und Marienberg gezeigt.
  5. Bei der gegenwärtigen Haushaltsituation praktisch aller sächsischen Gemeinden ist zu erwarten, dass vorhandene Mittel in einem vereinigten Zschopau zuerst und vor allem in Zschopau eingesetzt werden. Dieser "Hauptstadteffekt" ist eine bekannte Tatsache. Natürlich sind vereinte Kräfte stärker, wenn Probleme gelöst werden müssen. Aber dieser geplante Zusammenschluss sind offenbar vereinte Schwächen, vereinte Haushaltlöcher, vereinte Straßen voller Telekom-Narben, vereinte Abfall- und Abwasserprobleme ... Dabei ist überhaupt nicht ersichtlich, wie eben diese Probleme in einem vereinigten Zschopau besser als bisher gelöst werden könnten.
Deshalb meine ich, dieser Zusammenschluss wird Zschopau kaum Vorteile, Krumhermersdorf aber deutliche Nachteile bringen. Die einzigen, die wahrscheinlich davon profitieren, dürften Regierungspräsidium oder Freistaat sein, die unpopuläre Entscheidungen in Zukunft gegen weniger Kritiker verteidigen müssen ... Bitte machen Sie sich deshalb stark gegen diese offenbar vom grünen Tisch aus getroffene Entscheidung.

Mit freundlichen Grüßen


Hermann Doerffel

Da ist die Stellungnahme. Hat sie Einfluss auf den Lauf der Dinge genommen? Hat sie zumindest ein Nachdenken bewirkt? War sie wenigstens eine Antwort wert? - Nein, nein und nochmals nein. Also ist die Frage berechtigt, warum die Bürger überhaupt darum gebeten wurden.


C+H Doerffel
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