Die Lage der
Strumpfwirker

K. Marx 1844

... die Strumpfwirker von Nottingham, Derby und Leicester. Über diese Arbeiter (wird) berichtet ... , daß die lange Arbeitszeit (die durch niedrigen Lohn erzwungen wird) vereint mit der sitzenden Lebensart und der Anstrengung der Augen, welche aus der Natur der Arbeit selbst hervorgeht, gewöhnlich den Körper im allgemeinen kränklich und besonders die Augen schwach macht. Ohne sehr starkes Licht kann bei Abend nicht gearbeitet werden, und so wenden die Weber gewöhnlich Glaskugeln an, um das Licht zu konzentrieren, was die Augen sehr angreift. Im vierzigsten Jahre müssen fast alle eine Brille gebrauchen.

Die Kinder, welche dabei mit Spulen und Nähen (Säumen) beschäftigt werden, leiden gewöhnlich an ihrer Gesundheit und Konstitution bedeutenden Schaden. Sie arbeiten vom sechsten, siebenten oder achten Jahre an in kleinen, dumpfigen Zimmern zehn bis zwölf Stunden. Viele werden bei der Arbeit ohnmächtig, zu schwach für die gewöhnlichste Hausarbeit und so kurzsichtig, daß sie schon während der Kindheit Brillen tragen müssen. Viele wurden von den Kommissären mit allen Symptomen skrofulöser Konstitution gefunden, und die Fabrikanten weigern sich meistens wegen der Schwäche der Mädchen, die so gearbeitet haben, sie in der Fabrik zu beschäftigen.

Der Fabrikbericht setzt hinzu, daß die Strumpfwirker die am schlechtesten bezahlten Arbeiter in Leicester seien - sie verdienten 6 sh. und bei großer Anstrengung 7 sh. wöchentlich durch täglich sechzehn- bis achtzehnstündige Arbeit. Früher verdienten sie 20 bis 21 sh., aber die Einführung der vergrößerten Stühle habe ihr Geschäft verdorben, die große Majorität arbeite noch auf den älteren, einfachen Stühlen und konkurriere mühselig gegen den Fortschritt der Maschinerie. Also auch hier jeder Fortschritt ein Rückschritt für den Arbeiter! Aber trotz alledem, erzählt Kommissär Power, seien die Strumpfwirker stolz darauf, daß sie frei seien und keine Fabrikglocke hätten, die ihnen die Zeit zum Essen, Schlafen und Arbeiten zumesse. Die Lage dieser Arbeiterklasse ist in Beziehung auf den Lohn noch nicht besser als 1833, wo die Fabrikkommission die obigen Angaben machte - die Konkurrenz der sächsischen Strumpfwirker, die selbst kaum etwas zu beißen haben, sorgt dafür.

... im Dezember 1843 einige Briefe von einem Strumpfwirker in Hinckley über die Lage seiner Arbeitsgenossen. Er berichtet unter andern von 50 Familien, zusammen 321 Personen, die von 109 Webstühlen lebten; jeder Webstuhl trug durchschnittlich 5 1/6 sh. ein, jede Familie verdiente durchschnittlich wöchentlich 11 sh. 4 Pence. Davon gingen ab für Hausmiete, Strumpfstuhlmiete, Kohlen, Licht, Seife, Nadeln zusammen 5 sh. 10 Pence, so daß für Nahrung auf jeden Kopf täglich 1 1/2 Pence - 15 Pfennige preußisch - übrigblieben, und für Kleidung gar nichts.

Kein Auge, sagt der Strumpfwirker, hat gesehen, kein Ohr gehört und kein Herz fassen können die Hälfte der Leiden, die diese armen Leute erdulden. Betten fehlten ganz oder zur Hälfte, die Kinder liefen zerlumpt und barfuß umher; die Männer sagten mit Tränen in den Augen: Wir haben lange, lange kein Fleisch gehabt, wir haben fast vergessen, wie es schmeckt - und zuletzt arbeiteten einige des Sonntags, obwohl die öffentliche Meinung alles eher verzeiht als das und obwohl der rasselnde Lärm des Webstuhls in der ganzen Nachbarschaft gehört wird. Aber, sagte einer, seht doch meine Kinder an und laßt das Fragen. Meine Armut zwingt mich dazu; ich kann und will meine Kinder nicht ewig um Brot schreien hören, ohne das letzte Mittel zu versuchen, durch das ich mir ehrlich Brot erwerben kann. Vorigen Montag stand ich um zwei Uhr auf und arbeitete bis beinahe Mitternacht, die übrigen Tage von sechs Uhr morgens bis zwischen elf und zwölf in der Nacht. Ich bin es leid, ich will mich nicht ins Grab bringen. Jetzt höre ich jeden Abend um zehn Uhr auf und hole die verlorne Zeit sonntags nach.


C+H Doerffel
Krumhermersdorf 1999
Eine der Strumpffabriken Zurück zur Hauptseite