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Pfarrer E.H. Döhler
Einführung von Keuschheits- und Ehrenprädikaten


Jahreschronik der Kirchfahrt Krumhermersdorf. Döhler 1888 - 1889 - 1890, Auszüge
Krumhermersdorf 1889 ff; Originale bei C+H Doerffel

[1888] Am 15. August 1888 fand in Marienberg die Diöceseversammlung statt, zu welcher von den weltlichen Mitgliedern Herr K.H. Gläser abgeordnet worden war. Nach einer Ansprache des Herrn Superintendent Schaarschmidt ward auf Grund eines vom Verfasser dieser Chronik gegebenen Referats über die Wiedereinführung der Ehrenpädicte Junggesell und Jungfrau beim Aufgebot und bei der Trauung beschlossen, die Wiedereinführung dieser Ehrenbezeichnungen allen Gemeinden dringend zu empfehlen, und die übrigen Ephorien des Landes zu ersuchen, diesem Vorgange zu folgen.

... in den Vorhallen der Kirche ausgehängte Regulativ über die Wiedereinführung der Ehrenpädicte Junggesell und Jungfrau einschließlich Bestimmungen über den Brautkranz. Darnach können den Brautleuten, die mit gutem Gewissen sich noch Junggesell und Jungfrau nennen dürfen, auf ihren Wunsch und Antrag diese Ehrenbezeichnungen beim Aufgebot und bei der Trauung wieder beigelegt werden. Nur solchen Brautleuten ist auch das Tragen des Myrtenschmucks bez. Schleiers gestattet, allen anderen also untersagt. Und sollen solche auch nicht etwa mit einem hinten offenen, oder halben Kranz oder nur einem Myrtenzweig oder einem Ersatz dafür an dem Altar erscheinen. Der Myrtenschmuck, gleichviel in welcher Form oder Gestalt, gehört eben nur den keuschen Brautleuten. - Dieses Regulativ ist am 1. April 1888 in Kraft getreten.

[1889] Aufgeboten wurden 36 Paare, davon 3 mit den Keuschheits- und Ehrenprädicaten. Leider hat es sich nachträglich gezeigt, daß ein Paar, welches diese Prädicate für sich beansprucht hatte, mit einer Lüge vor den Altar des Herrn getreten ist.

[1890] Aufgeboten wurden 31 Paare, davon 3 mit den Keuschheitsprädicaten. Doch hat sich leider abermals ein Paar ungerechtfertigt diese Ehrenbezeichnung angemaßt und somit Gott und der Gemeinde gelogen.


Kommentar H.D.

In Krumhermersdorf ist nach 1890 (Wechsel des Pfarrers) von den genannten Ehrenprädicaten nichts wieder zu hören. - Jetzt allerdings, reichlich hundert Jahre später, wird öffentlich erneut merklich Wert darauf gelegt, dass Sex nur in der Ehe stattfinden darf. Stark machen sich dafür vor allem die offizielle katholische Kirche, die US-Regierung und konservative protestantische Gruppen. Das Thema vorehelicher Sex spielte praktisch das ganze 20. Jahrhundert nur eine Randrolle in der öffentlichen Diskussion. Es schien schon, als würden solche Ansichten bei den verstaubten Akten vergangener Zeiten landen.

Möglicherweise gabe es früher Zeiten, in denen ein soziales Interesse vorlag, uneheliche Kinder zu vermeiden: Solche waren bis ins 19. Jahrhundert rechtlich benachteiligt, wuchsen darum meist in ärmlichen Verhältnissen auf und gerieten dadurch eher als andere auf die schiefe Bahn. Die verbreitete Schlussfolgerung aber, dass ohne kirchlichen Ehesegen die Kinder zu Banditen würden, geht freilich an der Realität weit vorbei; ein Wissen, was heute elementar ist. Das und die heute verbreitete sexuelle Aufklärung sollten demnach Keuschheitsforderungen unnötig machen. Das dem nicht so ist, lässt vermuten, dass es (möglicherweise schon zu Pfarrer Döhlers Zeiten) unlautere Gründe für diese Forderung gibt, wie Einflussnahme und Machtgewinn.

Zwei mutige Paare ließen sich damals nicht öffentlich schikanieren. Noch sind sie nicht 80 Jahre tot, ihre Namen fallen noch unter den Datenschutz. H188902170 und H189002020.