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Hermann Doerffel
Entscheidungsrunde um die LPG Krumhermersdorf


Freie Presse Chemnitz, Lokalausgabe Zschopau 24.04.1991

Alles in Butter?

Wenn man all die hochfliegenden Pläne zur Zukunft der LPG anhörte, am 16. April im Kulturhaus Großolbersdorf von Fachleuten erläutert, die damit ihr Geld verdienen (und gut verdienen!), möchte man fast meinen: Was gibts denn da noch zu fragen! Doch gerade die Bauern haben schlechte Erfahrungen in den letzten Jahrzehnten gemacht.

Hieß es nicht einst auch, nur mit LPG könne aus der Landwirtschaft was werden? Und zeigte sich nicht dann, daß der große LPG-Topf offenbar für einige nur ein kostenloser Selbstbedienungsladen war? Daß die LPG nicht funktionierte, wie geplant?

Wenn man hörte, daß die vorgeschlagene Lösung rundherum nur Vorteile habe, da erwachte bei manchem ein instinktives Mißtrauen. Und wie in der Einladung geschrieben: "In diesem Rahmen können nochmals alle Fragen ... besprochen werden." war es eben leider nicht ganz. Sicher kann nicht jede Frage erläutert werden. Offenbar waren so viele Fragen aber auch gar nicht ganz willkommen, denn die Antworten zogen sich teilweise in die Länge, und nicht immer hatten die Fragenden den Eindruck, wirklich eine Antwort bekommen zu haben.

Die Abstimmung über das vorgeschlagene Konzept zur Umwandlung fand in Krumhermersdorf am 18. April statt. Für diejenigen, die am 16. nicht dabei sein konnten, war es sicher erfreulich, daß nochmals all das aus der Großolbersdorfer Versammlung wiederholt wurde; die anderen aber gähnten ein "Schade um die Zeit". Die dann für Wesentliches fehlte.

Zum Beispiel für die Diskussion der DM-Eröffnungsbilanz, der zuzustimmen war, obwohl sie kaum einer kannte. Wenigstens das Gutachten eines Wirtschaftsprüfers in den Händen der Mitglieder hätte man erwarten können. Oder für die Benutzung der extra gedruckten Abstimmbögen, die das Wahlergebnis hätten dokumentieren können. Oder zur Ermittlung der erforderlichen Stimmenzahl, die schließlich nicht 2/3 der Anwesenden, sondern 2/3 der Simmberechtigten betrug. Und nicht zuletzt für das Auszählen der Stimmen - es entstand der Eindruck, als ob nicht alle Anwesenden wüßten, daß man sich bei "Enthaltung" melden muß, wenn man weder dafür noch dagegen ist.

Man mög' das Formfehler nennen angesichts dessen, daß offenbar eine große Mehrheit für den Vorschlag stimmte. Daß es hier um Sein oder Nichtsein im wahrsten Sinn des Wortes ging. Aber eine lohnende Sache hätte wohl doch mehr Sorgfalt verdient. Bleibt zu hoffen, daß beim Feilen an den Details der neuen Unternehmen Sorgfalt mehr im Vordergrund steht, im Existenzinteresse aller!

Wie weiter mit der LPG? Wie überhaupt weiter mit den LPG? Seit Monaten nicht nur eine Frage von Arbeitsplätzen dort, sondern auch ein heißes Eisen hinsichtlich eingebrachten Feldes und eingebrachter Inventarbeiträge der Mitglieder. Der Möglichkeiten gab es viele, und die einfachste war zumindest in Krumhermersdorf lange genug im Gespräch: Auflösen, Rückgabe des Bodens und der Inventarbeiträge - so noch Geld vorhanden ist.

Wer möchte in dieser Zeit der drohenden Arbeitlosigkeit nicht gern ein paar Tausender auf die Hand! Aber dafür ein Stück Feld am Hals, ohne Pächter, der schon an die Tür klopft, ohne irgendwelche Technik, es zu bestellen, also wer wollte das schon? Und Arbeitsplätze wären damit auch verloren gegangen. Eine Lösung wäre es offenbar nicht gewesen.

So sagte man sich auch in der LPG der Kooperation Großolbersdorf: Warum denn erst alles auflösen, nutzen wir lieber, was wir haben. - In Zittau hatte sich eine LPG mit einem Unternehmensberater verbunden; und weil man seine Ideen dort für brauchbar hielt, lud man andere LPG ein, sich das doch einmal selbst und vor Ort anzuhören und anzusehen. So entstand, was in Großolbersdorf in den letzten Tagen als "Zittauer Modell" zur Diskussion stand.

Am 16. April war es schließlich soweit: Ganz konkret für das Gebiet von Wolkenstein bis Waldkirchen erläuterte Herr Juedemann von TREBAG Management und Marketing Consultant Berlin, was sich die Vorstände der LPG und seine Firma als Lösungen einfallen ließen: Die unsinnige Trennung von Tier- und Pflanzenproduktion sollte entfallen. Auch Mammutunternehmen, die bekanntlich selbst in den alten Bundesländern nicht leicht zu lenken sind, waren nicht gefragt. Dabei sollte aber das Vermögen aller Kooperationspartner erhalten werden; möglichst viele Arbeitsplätze ebenfalls. Und das alles mit geringstem Risiko - groß genug würde es in der jetzigen unsicheren Zeit sowieso bleiben. Das Ergebnis war eine Art Unternehmenverbund: Die produzierenden LPG und die Milchviehanlage an der Heinzebank würden GmbH. Deren Hauptaufgabe eben Produktion sein solle. Um Absatz, Finanzierung und Einkauf würde sich eine "Holding"-Gesellschaft für alle kümmern. Und zwar in Form einer Aktiengesellschaft.

Sollte das nicht ein bißchen hochgestochen sein? Bei den versammelten Mitgliedern weckte "Aktiengesellschaft" doch eher Assoziationen mit (alt-)westlichen Großkonzernen ... Die Herren von der Unternehmensberatung, die sich mit solchen Dingen mehr auskennen als der Normalverbraucher aus Sachsen, meinten so: Welcher Bauer wäre schon bereit, bei Geldbedarf des neuen Unternehmens zu gestatten, daß auf sein Feld Hypotheken aufgenommen werden? Wohl keiner. Wirtschaften mit Kredit ist aber in der Marktwirtschaft ganz normal, die meisten Unternehmen haben mehr Kredit als Eigenes. Also muß man der Bank etwas anderes als Sicherheit anbieten: Beispielsweise die Transparenz einer Aktiengesellschaft, die ja ihre Abschlüsse jährlich offenlegen muß.

Solche werden auch die bisherigen LPG-Mitglieder erhalten. Werden! Denn seit vergangener Woche ist es beschlossene Sache, daß diese Aktiengesellschaft und die einzelnen GmbH so gegründet werden, wie vorgeschlagen. Das ergaben die Abstimmungen dazu durch Vollversammlungen in allen LPG.Dafür, daß mit Land, Arbeitskraft und Inventarbeitrag der Mitglieder Werte erzeugt wurden, erhalten diese jeweils ein entsprechendes Aktienpaket. Eine Beispielrechnung, wieviel Aktien in welchem Wert ein Mitglied erhalten kann, war in der Einladung zur Informationsveranstaltung enthalten. Doch muß diese Rechnung nun den Gegebenheiten hier angepaßt werden; das wird nach Aussage des Vorsitzenden bis Ende Mai erfolgen. Den Inventarbeitrag von damals will das neue Unternehmen innerhalb von 5 Jahren zurückzahlen (wie in Krumhermersdorf bereits begonnen). Und das Land gehört weiterhin den einzelnen Mitgliedern, die es an die LPG verpachten können; mit Pachtvertrag und marktüblichen Pachtsätzen.

So die Erläuterung durch den Unternehmensberater vor allen Mitgliedern, und so die Entscheidung der Mehrheit dafür. Eine Perspektive ist gegeben, nun kommt es darauf an, sie zügig umzusetzen in handfeste Realität. Erfolg ist den ehemaligen LPG dazu in jeder Richtung zu wünschen!