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Der Christmettenstreit von Lauter


Helga und Heinz Kaden: Von Sachsen bis ins Böhmerland; Marienberg 1998

In ... vielen Erzgebirgsgemeinden belebte man in früheren Zeiten die weihnachtlichen Christmetten durch dramatische Darstellungen. Malerisch verkleidete Kinder und Erwachsene boten an geeigneten Stellen während der Metten schauspielerisches Können auf, um durch Gedichte oder das Spiel der Weihnachtsgeschichte die Feier zu verschönern. Eine Freude nicht nur für die Akteure, sondern für die ganze Gemeinde. "Engel", die tagelang vor dem großen Tag die Haare aufwickelten und flochten, um ja auch das richtige Engelshaar zu bekommen, Mütter, die weiße Kleider herrichteten, Kränze oder Kronen für die kleinen Schauspieler anfertigten. Wie freudig erregt warteten sie alle auf das große Ereignis.

Am 1. Weihnachtstag in den frühesten Stunden strömte dann alles zur Kirche. Feierlicher Gesang der Weihnachtslieder wechselte mit den Worten des Pastors, der die Weihnachtsbotschaft verkündete. Gedichte, Spiele und Gesänge brachten eine reichliche Stunde lang weihnachtliche Stimmung in die Herzen.

Diese unschuldige Freude teilte nicht jeder mit den Erzgebirgsgemeinden. Seit 1805 verlangten die Rittergutsbesitzer und Städte, man solle die Christmette verbieten "wegen des dabei gewöhnlichen Unfugs."

Der sächsische König, dem man das Verlangen vortrug, konnte sich zu einem Verbot nicht recht entschließen. Ein Konsistonum sammelte 23 Berichte über den Verlauf der Christmetten in den Dörfern und gab dem König 1811 die Empfehlung: da die Christmetten weniger eine religiöse Feier und Vorbereitung auf das Weihnachtsfest anzusehen sei, vielmehr nur eine Art Volksbelustigung, weshalb die Christmetten ohne allen Nachteil abgeschafft werden könne. Friedrich August III. folgte diesem Rat nicht. Die Anordnung, die am 21. August 1812 in Kraft trat, besagte: in Zukunft alles wegfallen zu lassen, was einer vernünftigen Gottesehrung zuwider ist.

Anscheinend hat man in den Gemeinden diese Anordnung nicht sehr ernst genommen, denn im Januar 1815 wetterte ein anonymer Schreiber in einer Zeitschrift: Aber nein! Dieser Unfug dauert in vielen Ortschaften des Erzgebirges und des Vogtlandes noch immer fort. Engel in weißen gebänderten Gewande, mit Sonnen und Welten tragenden Kronen, das flammende Schwert in der Rechten haltend und Hirten mit Taschen und Stab machen ihre mystischen Herumzüge in der Kirche, singen von der Kanzel und dem Altar ihre Lieder, leiern ihre Weihnachtssprüche ab und machen ihre englischen Tänze um den Altar. Alles dieses und die volle Erleuchtung der Kirche verbreiten einen so mystischen und magischen Zauber, daß das tollsinnliche Volk ganz entzückt wird. Man trägt die Säuglinge auf den Armen in die Kirche. Jede Familie kommt mit ihren Kinderchen gezogen. Auf die Predigt hört niemand.

Wiederum begann eine Untersuchung, die Anordnung lautete: "zuverlässige Erkundigungen einzuziehen.". Einer der Berichterstatter, der Pastor Magister Hähnel aus Lauter, verwahrte sich gegen die Anschuldigungen und tat kund: Wie diese Zermonie bei ihm beschaffen sei, habe er sie als religiöse Feierlichkeit und keineswegs zu Gespött und Aberglauben veranlassend, ansehen düfen.

Sicher wurde Friedrich August des ganzen Streites müde, zumal er in der damals bewegten Zeit andere Probleme zu bewältigen hatte. Am 16. Juni 1815 kam der Befehl: Christmetten sind erlaubt, Beginn nicht vor 6 Uhr; Verkleidung der Knaben oder Kronenaufsetzen verboten, Engel und Hirten dürfen nicht dargestellt werden, es ist nicht gestattet, die Kanzel zu betreten.

Die Lauterer waren damit noch lange nicht einverstanden, Beschwerdebriefe, zwar "in geziemender Form", gingen von Lauter nach Zwickau an den Superintendenten. Und noch Monate später klagte dieser: "Die Gemeinden beruhigen sich schwer bei der Veränderung, die ihren Metten eine andere Gestalt geben sollen."