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Eine angenehme Autoverbindung
Kraftpostlinie Zschopau-Krumhermersdorf vor 70 Jahren eröffnet


FREIE PRESSE vom 18.04.1996, Lokalseite "Zschopauer Zeitung", Chemnitz 1996

ZSCHOPAU (KHF). Mit der Eröffnung der Kraftpostlinie Zschopau - Krumhermersdorf am 15. Juni 1926 jährt sich in diesem Jahr zum 70. Mal die Geschichte der motorisierten Personenbeförderung in Zschopau. Bereits seit 1866 war die Stadt an das Eisenbahnnetz Chemnitz - Annaberg angeschlossen. Später - ab 1920 zeitweise und ab dem Jahr 1922 ständig - kam der Anschluß an das Liniennetz Chemnitz - Zschopau der Staatlichen Kraftwagenverwaltung hinzu. Weitere Kraftwagenlinien tangierten das Umland. Ein Zschopauer Wanderbuch aus dem Jahre 1913 gibt Aufschluß darüber, daß für die Gäste des Hotels "Stadt Wien" zu allen Zügen ein Pferdeomnibus verkehrte.

Der wirtschaftliche Aufschwung in Sachsen, der der schweren Inflationszeit folgte, machte eine Erweiterung der Verkehrsbedingungen erforderlich. Die erwähnte Linie nach Krumhermersdorf war eine Folge dieses Bedarfs. Daß die Eröffnung der Linie damals von der Bevölkerung stürmisch begrüßt wurde, ist dem "Wochenblatt für Zschopau und Umgebung" vom Dienstag, 15. Juni 1926, zu entnehmen. "Der Betrieb war sehr lebhaft, so daß am Sonnabend und Sonntag außer den je fünf fahrplanmäßigen Fahrten mehrfach Sonderfahrten eingelegt werden mußten, die alle überfüllt waren", heißt es. Und weiter wurde berichtet: "... bei dem niedergehenden Gewitterregen zeigte sich recht deutlich, wie angenehm eine derartige Autoverbindung für eine bisher vom Verkehr nicht berührte Gemeinde ist." Der Gärtnereibesitzer Hultsch hatte den ersten Wagen, der am Sonnabend morgen die Fahrt aufgenommen hatte, "sinnig mit Ranken und Blumen geschmückt". Bemerkenswert fand der damalige Berichterstatter ebenfalls, daß "die schmucken Wagen trotz der schlechten Straße ruhig und sicher" fuhren und die dem neuesten Stand der Technik entsprechenden Bremsen "den Wagen auf einen Meter Entfernung zum Stillstand zu bringen" vermögen.

Schon zwei Wochen später gestattete die Chemnitzer Oberpostdirektion die Eröffnung der Linie zwischen Zschopau und Dittersdorf und ein reichliches Jahr danach (am 2. Oktober 1927) die Linie nach Eppendorf. Damit war die Verbindung zwischen der knapp 9000 Einwohner zählenden Stadt Zschopau und Dittersdorf sowie dem Sttumpfwirkerort Krumhermersdorf und dem Spielwarenherstellungszentrum Grünhainichen - Eppendorf hergestellt. Zur Kraftpostlinie nach Dittersdorf vermeldete wieder das Zschopauer "Meldeblatt" (vom 22. Juli 1926) mit stellenweise noch heute gültiger Aktualität, daß die ungünstigen Wegeverhältnisse am Bahnhof in Dittersdorf erfordern, die Abfahrtszeiten der Wagen in Richtung nach Dittersdorf etwas zeitiger zu legen.

Gefahren wurde damals mit Omnibussen der Vogtländischen Maschinenfabrik AG in Plauen, jenen berühmten Vomag-Bussen. Bald stellte sich heraus, daß die Transportkapazitäten dem ständig wachsenden Bedarf nicht mehr gerecht wurden, so daß Dreiachs-Omnibusse der gleichen Firma eingesetzt wurden. War der Busverkehr zunächst als Zubringerverkehr zur Eisenbahn und zur Erschließung der ländlichen Gemeinden eingerichtet wurden, so stellte sich schnell heraus, daß die vorhandene Fahrzeugtechnik auch günstig für verschiedenartige Gesellschaftsfahrten genutzt werden konnte. Nicht nur die Sehenswürdigkeiten in Sachsen wurden angefahren, selbst Böhmen, darunter Karlsbad, wurden zu gern besuchten Zielen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erfuhr die Deutsche Post grundsätzliche Veränderungen, so daß die Personenbeförderung aus deren Leistungsangebot immer mehr schwand. Dennoch fuhr die Kraftpostlinie noch Anfang der 50er Jahre auf der Strecke zwischen Zschopau und Eppendorf einschließlich Krumhermersdorf sowie zwischen Zschopau und Dittersdorf. Ab Mitte 1952 wurden die beiden Kraftpostlinien in die Regie des Kraftverkehrs Chemnitz überführt.