Eigener Bericht / Freie Presse 13. Juni 1992
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Ende eines Luftschlosses
Kreiskrankenhaus in Krumhermersdorf

H.D. Haben wir eigentlich noch Sozialismus und führende Rolle der Partei? - Drei Jahre nach der Wende sollte sich dieses Frage nicht mehr stellen, doch die Vorgänge um die Krankenhausplanung erinnern merklich daran. "jede kritische Nachfrage ... in den Rang einer Majestätsbeleidigung erhoben", schrieb der Kommentator der Freien Presse (s.u.) über die mangelnde Transparenz von Entscheidungen und Fehlentscheidungen. - Darum folgt hier, was zum Krankenhaus-Bau in Gemeinderats-Sitzungen öffentlich gesagt wurde.

Platz genug wäre ja da für ein Krankenhaus.
Es bestand Bedarf nach einem neuen Kreiskrankenhaus und einem geeigneten Standort dafür. Krumhermersdorf hatte ein Gewerbegebiet ohne Gewerbe. Was lag näher, als der Kreisverwaltung dieses Gebiet anzubieten? Soweit eine vernünftige Entscheidung. Das Planungsbüro schaute sich den vorgeschlagenen Standort an: Zu klein! Für die Gemeinderäte Krumhermersdorfs war das kein Grund zum Aufgeben. Warum nicht das Gebiet erweitern um die Felder der benachbarten Bauern? Im Prinzip ja ... nur wollte einer der betreffenden Bauern - ein "Wieder-Einrichter" - sein Feld nicht verkaufen.

Man redete ihm gut zu. Man sprach von einer sechsstelligen Summe. Vom Gewinn für den ganzen Ort. Doch der Bauer blieb dabei: Ich brauche das Feld selbst. Irgendwann hätte man ihn vielleicht mit Geld oder guten Worten umgestimmt oder seine Entscheidung akzeptieren müssen. Statt dessen fielen in der (öffentlichen) Sitzung des Gemeinderates Worte von rechtlich möglicher Zwangs-Enteignung. - »Die SED-Bonzen haben mir 1970 alles weggenommen, und jetzt soll es wieder genauso sein? Mit mir nicht!« schimpfte der Bauer, den diese Aussage postwendend erreichte. »Die brauchen gar nicht bei mir zu klingeln, kein Wort red' ich mehr mit denen!« Nun hätte man ja ausrichten lassen können, das sei keineswegs die Absicht des Gemeinderates, sondern nur ein unüberlegtes Wort gewesen. Statt dessen verbreitete man in Krumhermersdorf die Behauptung, durch diesen Bau würden 400 neue Arbeitsplätze entstehen - natürlich vor allem im Ort. Und nur EINER verhindere das.

So ging man zu DDR-Zeiten mit den Leuten um. Sollte das nicht endgültig vorbei sein? Oh nein! Am 31. März 1992 fand eine Sondersitzung des Gemeinderates statt, zu der Vertreter des Planungsbüros anwesend waren.
Die Kreistagsabgeordneten gaben am Montag diesem
Krankenhausmodell des Architekturbüros Monnerjan
den Vorrang. Vier Pflegetrakte sollen sich sternförmig um
einen Behandlungstrakt ordnen und durch unterschiedliche
Geschossigkeit dem Hang in der Neuen Heimat in Zschopau
anpassen.      Foto: Murkowski
Vor dieser Sitzung drohte der Bürgermeister den Abgeordneten: »Wehe, einer von Euch sagt was gegen das Krankenhaus oder daß wir noch nicht Eigentümer des Geländes sind, dann vergeß ich mich! Die Beratung ist leider öffentlich: Wenn Sie, Herr Doerffel, mit herkommen, dann denken Sie daran, daß sie KEIN Rederecht haben; und ich will auch keine Zeile dazu in der Zeitung sehen, klar? - Ich werde das mit der Freien Presse abstimmen.« - Die Beratung fand statt, und man hatte den Eindruck, daß das Planungsbüro fest von einem Standort Krumhermersdorf ausging.

Inzwischen hat nun Zschopau den Zuschlag bekommen. Damit kann man doch leben, vielleicht ist der Standort sogar noch ein wenig günstiger. Und kein Mitarbeiter der dafür aufgegebenen Krankenhäuser wurde entlassen! Allerdings auch keiner zusätzlich eingestellt. Man wird das Thema zu den Akten legen, aber ein schaler Beigeschmack nach DDR-Leitungsmethoden bleibt bei den Krumhermersdorfern zurück.


Alter, neuer Krankenhausstandort bestätigt
Viola Degen zu geschütztem Wohnen: Macht des Geldes oder politischer Schachzug?

Stil-Brüche
Von Matthias Zwarg

Da staunt der Fachmann, aber der Laie wundert sich längst nicht mehr: Das neue Kreiskrankenhaus könnte nun doch in Zschopau gebaut werden, und für das geschützte Wohnen besteht jetzt dringender Handlungsbedarf. Beides ist ohne Einschränkung zu begrüßen, zumal die Bemühungen des Kreistages und nicht zuletzt des Landrates selbst um ein neues Krankenhaus aller Voraussicht nach auch in Dresden belohnt werden (wenn dies auch noch nicht feststeht). Zumal die neue Situation für geistig Behinderte in Pflegeheimen das Handeln jetzt dringender macht als noch vor drei Monaten.

Getrübt wird der Erfolg dennoch: Daß man sich nicht dazu durchringen konnte, zur Geschichte der Suche und der Verhandlungen über einen Standort für das Krankenhaus Stellung zu nehmen, zeugt von wenig Stil und Selbstbewußtsein. Da wird hinter verschlossenen Türen verhandelt, während derweil in Krumhermersdorf die Wellen hochschlagen, ein Dorf sich einer Entwicklungschance beraubt sieht, ohne über alle Hintergründe informiert worden zu sein. Wurde nicht immer so getan, als sei alles in bester Ordnung, ginge alles seinen Gang? Wurde nicht eine Stimmung erzeugt, die jede kritische Nachfrage zum Krankenhausneubau beinahe in den Rang einer Majestätsbeleidigung erhob? Offensichtlich kann sich auch die Gemeindevertretung nicht aufraffen, für klare Verhältnisse zu sorgen. Zschopau hingegen, das sich um das neue Krankenhaus nie sonderlich bemühte, bekommt es nun quasi "geschenkt". Manche Erfolge werden teuer bezahlt.

Neueste Erkenntisse und die "gezielte Arbeit der Kreisverwaltung" für die CDU-Fraktion sorgen nun dafür, daß es im Kreis doch geschützte Wohnungen geben wird. Man kann sich zwar fragen, warum der neuerliche und nun erfolgreiche Anlauf nicht von der "Arbeitsgruppe Geschütztes Wohnen" unternommen wurde - aber es wird vor allem etwas Positives für die Betroffenen bewirkt. Immerhin wäre es auch möglich gewesen, die kompetente Arbeitsgruppe nach dem "neuesten Erkenntnisstand" noch einmal zusammenzurufen und ihr nach zwei Jahren harter Arbeit zu einem spätem Erfolg zu verhelfen.

Da, wie es in ihrer Vorlage heißt, die Kreisverwaltung gezielt für die CDU-Fraktion tätig wurde (hört, hört ...), werden nun sicher auch die anderen Fraktionen die Verwaltung stärker in ihre Arbeit einbeziehen. Sonst entstünde der Eindruck, es müsse nur die "richtige" Fraktion kommen - und das wäre zweifellos ein Stilbruch.

ZSCHOPAU (RG). In nichtöffentlicher Sitzung bestätigten die Abgeordneten den Standort Zschopau, Neue Heimat, für den Krankenhausneubau.

Als Erklärung für den Standortwechsel wurde nach der Sitzung lediglich bekanntgegeben: "Für den Neubau eines Kreiskrankenhauses mußte der geplante Standort Krumhermersdorf aufgegeben werden, weil es bis zum Stichtag 26. Mai 1992 nicht gelang, die für den Baubeginn notwendigen Grundstücke zu erwerben." Zu einer öffentlichen Erklärung für den Standortwechsel sah man sich nicht in der Lage. Wenn die entsprechende Landesbeschluß vorliegt, könnte das Krankenhaus nun an den schon im vergangenen Jahr favorisierten Standort gebaut werden, den die Stadt Zschopau damals abgelehnt hatte.

Einstimmig erklärte der Kreistag seine Zustimmung zum Vorschlag der CDU-Fraktion, im Wichernheim Börnichen zehn Plätze für geschütztes Wohnen zu schaffen. Viola Degen (Neues Forum) als Vorsitzende der interfraktionellen Arbeitsgruppe "Geschütztes Wohnen", die im März zu dem Entschluß gekommen war, das Projekt mangels Bedarf vorerst einzustellen, sah sich zu einer persönlichen Erklärung veranlaßt. 1990 war auf Vorschlag des Forums eine Arbeitsgruppe gegründet worden. Es sei mühselig gewesen, so Degen, Verantwortliche in den Ämtern zur Mitarbeit zu gewinnen, später habe man Gebäude gefunden, es sei schon gebaut worden, es seien neue Gebäude gefunden und wieder verworfen worden. Sie habe sich bei ihren Vorstellungen vom geschützten Wohnen immer an der größten Elternvereinigung für geistig Behinderte, der Lebenshilfe, orientiert. Fachleute, so die selbst für Behinderte arbeitende Pädagogin, sprächen sich gegen die Institutionalisierung von Behinderten aus, forderten Wohngebietsnähe und soziokulturelles Umfeld. Dafür sei das Wichernhaus nicht optimal. Dennoch stimme sie für den Ausbau des Wichernheims, weil dies vielleicht ein erster Schritt für ein Behindertenhaus im Landkreis sei. Allerdings frage sie sich, wieso jetzt so schnell Geld und Platz da sei, warum erst jetzt genaue Zahlen vom Sozialamt vorliegen und wieso die Vorlage von einer Fraktion eingebracht werde, die sie nicht einmal informiert habe. So stelle sich für sie die Frage, ob "tatsächlich Geld die Welt regiert" oder ob es sich um einen "politischen Schachzug" handele. Kreistagspräsident Erhard Berger (CDU), der die Vorlage erarbeitet hatte, verneinte dies gegenüber Freie Presse entschieden. Ihm sei es darum gegangen, "etwas für die betroffenen Menschen zu tun", nicht Parteipolitik zu machen.