Nach 25 Berufsjahren Millionär

und immer noch nicht zufrieden? Bauer Ernst Reinhard Uhlmann schüttelt jetzt noch den Kopf über diese verrückte Zeit vor sieben Jahren. In seinem Ausgabenbuch musste er extra Spalten anlegen für die vielen Nullen: Zwei eiserne Radreifen 22 000 000 000 Mark! Damals hat er das aus der Brieftasche bezahlt, wie der bekannte Graf von Monte Christo. Wenn DAS echt gewesen wäre ...
Bis zum Krieg ging das Leben eigentlich einen vernünftigen Gang. Ernst und seine Frau Lina wenden Geld und Zeit daran, einen modernen Hof aus dem Gütchen zu machen. Wünschenswert wäre es freilich, wenn Steuern und Versicherungen etwas mehr übrig ließen zum Leben. Und zum Investieren. Aber es mag gehen so, und es könnte so bleiben. Zwölf gute Jahre, sagt Bauer Ernst Uhlmann, außer den Steuern.
Vielleicht ist es übertrieben, dass Frankreich so gefährlich ist, und dass unser Kaiser soviel Geld für Rüstung braucht. Aber was sollen wir Kleinen dazu schon sagen. Doch seitdem ist das Leben aus den Fugen.
Erst der Krieg, jahrelang sind die jungen Männer draußen, und Schwiegersohn Emil kommt mit zeschossenem Bein wieder. Dann Revolution, tödliche Grippeepidemie, Hungersnot in den Städten. Und kaum, dass sich das alles etwas beruhigt hat, dieser Spuk mit den Millionen, der alles Ersparte verschlungen hat. Die Enkel spielen jetzt noch mit dem wertlosen Papiergeld, was übrig blieb.

Ganze sieben Jahre ist die Inflation her, und obwohl Ernst und Schwiegersohn Emil gerackert haben, sich keine teuren Vergnügungen gegönnt haben, ist das Ersparte schon wieder aufgezehrt. Die erzielbaren Preise für Getreide, Milch, Schlachtvieh sind so niedrig wie lange nicht, da bleibt nicht mal liegen, was man drangewendet hat. Wenn es so weitergeht, wird man noch aufgeben müssen, das Gut verkaufen, in der Fabrik arbeiten. Aber wer weiß, ob man überhaupt unterkommt mit sechzig Jahren, wo doch selbst junge Leute arbeitslos sind. Es kann nicht so weitergehen!

Es ist nicht mehr so wie zu Kaisers Zeiten, und es wird wohl auch nicht wieder so werden. Man hat den Eindruck, dass die jetzige Regierung sich nur um Aktienkurse und die großen Gesellschaften kümmert. Der Bauer, der eigentlich das Land ernähren soll, bleibt dabei auf der Strecke. Mit amerikanischen Weizenpreisen kann er einfach nicht mithalten. Selbst wenn mal irgendein Abgeordneter sagt: So geht das nicht! dann wird in Weimar solange geredet, bis die Ernte vorbei ist.

Es gibt natürlich auch viel brauchbaren Fortschritt seit damals, 1899, als Ernst und Lina angefangen haben. Ohne Kunstdünger könnten sie heute gewiss nicht mehr vom Ertrag ihrer 9 Hektar leben. Und Strom für Licht und Dreschmaschine ist auch sehr brauchbar, man ist in der halben Zeit fertig. Allein, ohne Pferd im Göpel, und ohne Tochter Frieda, das Pferd zu führen. - Hinten heraus aber bleibt nichts übrig, Schwiegersohn Emil ist nebenbei noch Schrankenwärter und Tochter Frieda geht tageweise in die Fabrik arbeiten. Es sind auch schon Höfe im Ort unter den Hammer gekommen - kein Wunder bei dieser weltweiten Wirtschafts-Krise.

Es ist regelmäßig irgendeine Wahl. und Bauer Ernst wird sich sehr überlegen, ob er seine Stimme wieder dieser Weimarer Regierung gibt. Aber wem sonst? Die Roten versprechen den Arbeitern, die Braunen den Bauern das Blaue vom Himmel. Ob sie es halten wollen, wenn sie an die Regierung kämen? Diejenigen Braunen und Roten, die Ernst kennt, sind wohl dazu nicht die Richtigen, junge Hitzköpfe sind die meisten. Im Erbgericht große Reden schwingen, aber bei der Arbeit die Ruhe in Person. Ja, wem sonst? - Man kann nur hoffen, dass die Zeiten besser werden ...