Im Garten des Friedens


Sommerlich warm liegt der Sonnabend-Nachmittag über dem Garten um die Kirche. Der Lärm der Straße dringt fast nicht bis hierher. Einige alte Frauen pflegen weit drüben Gräber. Entfernt, am Tor, klatschen jene beiden, die immer was zu klatschen haben. Keine Kinder, die herumschreien. HIER ist Frieden, hier ist die Welt noch heil, hier, wo die Entschlafenen ruhen.

Es HERRSCHT Ruhe auf dem Friedhof; und den Kindern ist das Spielen verboten. "Halt jetzt deinen Mund, sonst nehm ich dich nicht wieder mit!", bekommt das kleine Mädchen gesagt. Denn es müssen noch Vergissmeinicht gepflanzt werden, die Stiefmütterchen brauchen Wasser, hinten am Grabstein fängt schon wieder Gras an zu wachsen, und Dachpappe soll schon lange unter den Kies, wegen dem Unkraut. "Hol jetzt Wasser, sonst sind wir heute Abend noch nicht fertig. Vielleicht liegt irgendwo hinter einem Grabstein ein altes Einweckglas, unsres ham'se geklaut - na mach schon endlich!"

In der Mitte des Gartens steht - nein, nicht die Kirche - ein Denkmal:

Ihren im Weltkrieg 1914 - 1918
auf dem Feld der Ehre für die geliebte Heimat
gefallenen Heldensöhnen
widmet dieses Denkmal zum bleibenden Gedächtnis
in unauslöschlicher Dankbarkeit
die Gemeinde Krumhermersdorf.

Waren sie Helden,
weil sie sich erschießen ließen, statt andere, ihnen völlig fremde Männer zu erschießen? Oder
waren sie Helden,
weil sie ihr Leben ließen auf granaten-zewühltem Feld zu Ehren der Rüstungsfabrikanten? Oder
waren sie Helden,
weil sie auch die dicksten Kriegslügen schluckten, nur um dem armen Kaiser keinen Ärger zu machen?

"Oh wie wohl ist mir am Abend;
wenn zur Ruh die Glocken läuten"

WENN. 1632 läuteten sie, weil General Holck kam und seine Soldaten umbrachten, wen sie erwischten. Hatte man 1916 Angst, sie könnten vor den deutschen Kriegshetzern warnen? - jedenfalls mussten sie vom Turm und zur Umerziehung: Aus Glockenbronze kann man prima Granaten herstellen, dann warnt diese Bronze nicht mehr vor Tod und Verderben, dann bringt sie Tod und Verderben.

Eine Glocke entkam dem Schmelztiegel. Sie war alt und unansehnlich, sicher nicht sauber legiert, daher wurden erst die anderen eingeschmolzen. Die Sauglocke hielt länger als der Krieg, daher fand sie Fabrikbesitzer Oehme 1921 auf dem Hof der Erfassungsstelle und kaufte sie für den Heimatverein Krumhermersdorf auf. Weil sie doch sooo historisch und romantisch war ...

Der Friedhof hatte nach wenig Jahrzehnten erneut seine Ruhe: Die neuen Kirchenglocken mussten in den neuen Krieg ziehen. Wenn gerade kein Fliegeralarm war, herrschte Friedhofsruhe dort. Grabesstille.

Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde

folgt als Nachsatz. Wenn das Denkmal die Wahrheit sagt, waren also die Rüstungsfabrikanten mit den Soldaten befreundet, wurden von ihnen über alles geliebt. - Nun ist glücklicherweise die Inschrift so verwittert, dass kein Mensch mehr diesen heuchlerischen Unsinn lesen kann. Irgend jemand brachte daher in den vergangenen Jahren den Vorschlag auf, das Denkmal doch restaurieren zu lassen. Mit neuer Inschrift, versteht sich, vielleicht

Das Denkmal seit 2001
Der Tod im Krieg ist nicht heldenhaft, gut, dass diese Erkenntnis Allgemeingut geworden ist. Aber was ist mit den Tätern? Wer schweigt, wird schuldig! Seit 1989 hat man das den DDR-Bürgern immer wieder gesagt; deshalb mein Vorschlag: Oder ... doch nicht. Denn wenn schon Krumhermersdorf solch ein Denkmal haben müsste, wie gewaltig müsste wohl ein solches in Dresden sein? Wenn aber die Kinder auf dem Friedhof der andächtigen Stille wegen nicht fragen dürfen, werden sie nicht erfahren:

Kein Mensch möchte erschossen werden.
Kein Mensch hält das noch für eine Ehre.
Und Helden sind die, die sich trauen, das den anderen zu sagen.


Kirchbau 1756
Schussloch im Knopf des Kirchturms
Eine Gruft im Kirchfussboden