1946

 

Sichert den Frieden!


Aufruf der Sozialistischen Einheitspartei, der Liberal-Demokratischen Partei, der Christlich-Demokratischen Union und des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes des Landes Sachsen zum

Volksentscheid

über die Ubergabe von Betrieben von Kriegs- und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes

Nach den furchtbaren Leiden, die der Hitlerkrieg über das deutsche Volk gebracht hat, ist es eine Lebensnotwendigkeit für Deutschland, daß den Kriegs- und Naziverbrechern die materiellen Machtmittel genommen werden. Um die friedliche Arbeit des Volkes und den demokratischen Aufbau nunmehr zu sichern, ist die Enteignung der Betriebe der Kriegs- und Naziverbrecher zur nationalen Notwendigkeit geworden.

Die sowjetische Besatzungsbehörde hat die von ihr in großer Zahl beschlagnahmten und enteigneten Betriebe von Kriegsverbrechern sowie aktiven Verfechtern der faschistischen Kriegspolitik

dem Volke zur Verfügung

gestellt Die Besatzungsbehörden haben damit den demokratischen Selbstverwaltungsorganen die Möglichkeit gegeben, zu entscheiden, was mit diesen Betrieben geschehen soil. Wir würdigen diese Handlung als einen Akt besonderer Hochherzigkeit. Nunmehr ist es Aufgabe des Volkes selbst, dafür zu sorgen, daß diese Betriebe in den Dienst der Befriedigung der Lebensbedürfnisse des Volkes gestellt werden. Die in der Einheitsfront zusammengeschlossenen drei antifaschistischen Parteien und die Gewerkschaften haben die Durchführung des Volksentscheides bei der Landesverwaltung beantragt. Durch den Volksentscheid soll zum Ausdruck gebracht werden, daß diese Betriebe für immer dem friedlichen Aufbau dienen sollen. Sie sollen niemals mehr für die fluchwürdigen Zwecke der Kriegsverbrecher ausgenuzt werden.

Wir haben die Landesverwaltung ersucht, den Termin für den Volksentscheid festzusetzen auf den

30. Juni 1946

Der Volksentscheid ist das Bekenntnis für die Sicherung des Friedens!

Der Volksentscheid hilft im Kampf gegen Militarismus und Imperialismus!

Der Volksentscheid dient dem friedlichen und demokratischen Neuaufbau Deutschlands!

Warum sollen die genannten Betriebe in die Hände des Volkes übergehen?

Weil die Kriegsverbrecher durch zwei Weltkriege unser Heimatland in Not und Elend gestürzt haben!
Und diese Feinde der Nation werden ihre Verbrechen wiederholen, solan9e ihnen das Volk ihre wirtschaftlichen Machtmittel beläßt.
Niemand kann verantworten, daß diese Verbrecher ihre Reichtümer behalten, nachdem sie unzählige Bombengeschädigte, Kriegsgefangene, Millionen Heimatlose, Frauen und Kinder, in unsägliches Elend gestürzt haben.
Indem diese Betriebe in den Besitz des Landes und der Gemeinden übergehen, können dieselben viel besser in den Dienst der Heilung der Kriegswünden und des Neuautbaues gestellt werden.

Warum wird ein Teil der beschlagnahmten Betriebe an Private verkauft?

Weil diese Betriebe nach Enteignung der Kriegsverbrecher und Beseitigung der Konzerne keine Gefahr für den Frieden darstellen. Es kommt hinzu, daß Handwerk und Gewerbe für die Versorgung des Volkes die allergrößte Bedeutung haben.
Der Erlös aus diesen verkauften Betrieben soll Verwendung finden zur besonderen Betreuung von Bombengeschädigten, Heimkehrern, Umsiedlern, Witwen und Waisen.

Warum werden nominelle Nazimitglieder gewisse gewerbliche Betriebe zurückerhalten?

Weil wir damit bekunden wollen, daß die großen Nutznießer des Krieges gestraft werden sollen und nicht die damaligen kleinen Mitläufer.
Mit Recht sagen viele Menschen, nach dem ersten Weltkrieg ging der Kaiser, aber seine Generale und Konzernherren blieben. So konnten sie Hitler finanzieren und den zweiten Weltkrieg vorbereiten.
Dieses Mal wird das Volk seine Geschicke in eigene Hände nehmen. Helfen wir alle, den Frieden zu sichern und eine bessert, schönere Zukunft vorzubereiten.

Männer und Frauen, Jugendliche!

Auf zum Volksentscheid für die Enteignung der Kriegsverbrecher!

Auf zum Volksentscheid zur Sicherung des Friedens!

Sozialistische Einheitspartei Otto Buchwitz Wilhelm Koenen
Christlich-Demokralische Union D. Hickmann
Liberal-Demokratische Partei Prof Dr. Kastner
Freier Deutscher Gewerkschaftsbund Paul Gruner

Bauern und Genossenschaft