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Sachsens Kirchengalerie (um 1840) - Krummhermersdorf


Sachsens (alte!) Kirchengalerie, die Inspectionen Chemnitz, Stollberg, Zwickau, Neustädtel.
Band 8 Dresden 1840/42
steht z.B. Sächsische Landesbibliothek Dresden und Stadtbücherei Chemnitz
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Dem Inhalt nach ist der Text 1841 entstanden.

Krummhermersdorf, in den alten Urkunden auch Crommenhermsdorf geschrieben, ein ziemlich volkreiches Dorf, denn es zählt in 180 Häusern, mit 28 und einer halben Hufe, gegen 1800 Seelen; liegt südlich aufsteigend, vom Zschopauthale an bis in die oberste Höhe des Zschopauberges, ¾ Stunde südöstlich von der Stadt Zschopau, 2 Stunden südlich von Schellenberg und 2½ Stunden nördlich von Marienberg, im Amtsbezirke Augustusburg und der Inspection Chemnitz

Der höchste Punkt, etwa 20 Minuten von der Kirchen, der Mitte des Dorfes entfernt, gewährt eine der umfangreichsten und herrlichsten Aussichten in die Niederungen, wie in das Obererzgebirge, so daß die 6 Stunden südlich gelegene Stadt Annaberg mit ihrem Pölberge eben so deutlich mit dem unbewaffneten Auge sich darstellt, als das gleich weit, nördlich entfernte Schloß Sachsenburg; Der Fichtelberg und Auersberg im Süden ebenso majestätisch hervortreten, wie der Colmberg bei Oschatz. - Das nahegelegene königliche Schloß Augustusburg erhebt sich, ein Schmuck der ganzen Umgegend aus der Vorzeit, gleich einem à jour gefaßtem Diamant, rechts vom freundlichen Zschopauthale, damit es den Blick in das letztere nicht beschränke. Die Verschiedenartigkeit der Lage des Ortes hat auch auf das Klima desselben einen so merkwürdigen Einfluß, daß die Bewohner des Niederdorfs, in der Regel 14 Tage früher ernten, als die des Oberdorfs, und es leicht möglich seyn würde, an den Spalieren der untersten Häuser tragbare Weinreben zu ziehen, wo dagegen bei den obersten Gütern desselben Dorfs kein Obstbaum gedeihen will. Doch schon im Mittel des Dorfes wird fast jedes Jahr (die Pfarrgärten lieferten 1840 an 75 Scheffel) viel und edles Obst erbaut.

Der ausgebreiteste Nahrungszweig der hiesigen Einwohner ist die Strumpfwirkerei, denn der Ort zählt an 130 Meister mit 350 bis 400 [Wirk-]Stühlen. Auch befinden sich im Orte 3, obschon unbedeutende Mühlen, ½ Stunde von demselben entfernt, eine Baumwollspinnerei (1).

Krummhermersdorf gehörte, soweit dessen Geschichte zurückreicht, im Jahre 1613, einem Herrn George von Rücksleben; jedoch berichtet schon der in den Jahren1654-1665 hier angestellt gewesene Pfarrer Falckenhagen: "daß der Hochedelgeborne, gestrenge Veste Herr Friedrich Metzsch auf Reichenbach und Friesen, Kaiserlicher Majestät Reichspfennig Meister, Churfürstlicher Durchlaucht zu Sachsen Geheimbde Rath, des hochlöblichen Oberconsistorii Präsident und hiesigen Orts christlicher Herr Collator um die christliche Kirche sich wohl meritiret [gekümmert] und große Sorge getragen.". Es werden also schon vom Jahre 1654 an die von Metzsch, die auch bis aufdie neueren Zeiten (1780) (in den letzten Jahren jedoch nur in einem Bauerngute) ihren Wohnsitz hier gehabt haben, als Besitzer und Collatoren von Krummhermersdorf genannt; wo es dann an einen Herrn Höckner, und einige Jahre später an den Amtsverwalter Liebe, - dessen Ehegattin durch ein ansehnliches Legat für die hiesigen Armen die Dankbarkeit des Orts sich auf immer verbürgt hat, - verkauft worden ist. Jetzt (1841) besitzen es die Erben des als Collator hiesigen Orts, unlängst in Dresden verstorbenen Freiherrn von Limburger-Ehrenfels, von denen im Jahre 1837die Justizpflege von Krummhermersdorf an das königliche Justizamt Augustusburg abgetreten worden ist.

Die herrschaftlichen Gebäude des Rittergutes sind vor länger als 100 Jahren (bis auf die Wirtschaftsgebäude, die heute noch stehen) abgebrannt; die herrschaftliche Fluren in einzelne Bauerngüter zerlegt und an einzelne Besitzer verkauft worden, so daß die Gerichtsherrschaft nur noch die trockenen Zinsen (2) des Rittergutes bezieht, das Collatorrecht und eine herrschaftliche Kapelle in der Kirche besitzt.

Die Kirchen- und chronologischen Nachrichten hiesigen Orts beginnen erst mit dem Jahre 1613. Doch scheint schon weit früher Kirche und Pfarrhaus hier bestanden zu haben, da die Krummhermersdorfer Chronik bereits vom Jahre 1613 berichtet, daß "in demselben Jahre die Pfarrwohnung von Grund aus neu erbauet, auch im Jahr 1615 ein neuer Predigtstuhl in der Kirche erbaut und angesetzet worden."

Von dem Jahre 1633 an bis 1634 fehlen die chronologischen Nachrichten bei dem alten Kirchenbuche. - Aus einem ergänzenden Nachtrage derselben, niedergeschrieben von dem schon erwähnten Pfarrer Johannes Falckenhagen, (der im Jahre 1665 von hier nach Knaudhayn [bei Leipzig] vociret [versetzt] worden ist) scheint die Sage sich zu bestätigen, daß in der 2ten Hälfte des durch allseitige Zerstörung und Verwüstung bezeichneten 30jährigen Krieges die Parochie Krummhermernsdorf eine Zeitlang von dem benachbarten Pfarrer zu Waldkirchen als Filial versorgt worden sey. Denn Falckenhagen berichtet unter Andern: "Weil man etliche Soldaten unten im Dorfe abgesetzt und die Pferde genommen, welches nicht nur hiesige Leute, sondern auch benachbarte verübet, General Holke'ns Völker, auf ihres Generals Befehl das Dorf angestecket [angezündet]; niedergehaun, was sie angetroffen, also, daß sie etlichen die Köpfe in einem Hieb abgehauen und der Kopf den Berg abgelaufen, das Corpus liegen geblieben, welches jämmerlich zu sehen gewesen; und sonst übel verfahren, wie die rudera [Spuren] noch ausweisen. Die darauf folgende Pest, welche aus diesem Dorfe eine Wüstenei gemacht, maßen innerhalb 2 Jahren bis 700 Personen aus diesem verstorben. Von dem gedachten Jahre ... an bis auf 1654 keine Pfarrwohnung und eigenen Pfarrer hier gewesen, sondern unterdessen von dem Pfarrer in Waldkirchen als Filial versorget worden. Da er denn in verheerender Zeit nicht nur in gedachter Feuersbrunst (1633) (3), sondern auch Kriegs- und Hasses-gefahr bei diesem Dorfe viel ausgestanden und niemals von seinen Pfarrkindern gewichen, welches wohl zu bemerken."

Die wahrscheinlich durch ihr hohes Alter sehr baufällig und für die wieder schnell wachsende Einwohnerzahl viel zu klein gewordene alte Kirche des Ortes wurde den 19. Mai des Jahres 1756, unter der rühmlich erwähnten Collatur Herrn Sigismund August von Metzsch, abgetragen; am 31. Mai desselben Jahres der Grundstein zu dem jetzigen, einfachen, aber ebenso zweckmäßig eingerichteten, als sehr hellen und freundlichen Gotteshause gelegt, und, wie die darüber gegebenen Kirchennachrichten lauten: "so fleißig und eifrig daran gearbeitet, daß schon am 22. August desselben Jahres (1756) die Mauern in die Höhe geführt, das Gesperre [Balken und Sparren] aufgesetzet, unter das Dach gebracht", und der neu designirte Pastoris substitutus Magister August Friedrich Wehner seine Probepredigt darin ablegen konnte. Der Ausbau der Kirche erfolgte wegen der nahrungslosen Zeit, erst im nächsten Jahre darauf; der Anbau des stattlichen Turmes noch zwei Jahre später. Auf dem letzteren befinden sich drei Glocken, die neue, mittlere vom Jahre 1805; die beiden anderen deuten, weil alle Schrift und Jahreszahl daran mangelt, auf ein sehr hohes Alter. Während des Kirchbaues, des Sommers 1756, wurde der Gottesdienst in des Pfarrers Scheune gehalten. Im Jahre 1840 wurde die Sacristei ihrer überaus feuchten Lage wegen, von der Nord- nach der Ostseite der Kirche verlegt, wodurch beide, im Innern, wie am Äußern gewonnen haben.

Die Pfarrwohnung ruhet wahrscheinlich noch auf dem im Jahre 1613 gelegten Grunde, ist aber öfters reparirt, und namentlich in den Jahren 1797, 1821und ff. sehr wohnlich, zweckmäßig und freundlich hergestellt worden. Sie liegt auf einer von der Kirche aus unbedeutenden Anhöhe und gewährt besonders eine ausgezeichnete, umfangreiche und herrliche Aussicht. Ihre Bewohner, als Pfarrer des hiesigen Orts, waren seit dem Jahre 1613: Christoph Gensel, Christian Klee, Samuel Heinel, Johann Falkenhagen, David Weber, Christian Petri, Johann Georg Bauer, Friedrich Blüher, Siegmund Grimmer, Johann Christian Lieberwirth, August Friedrich Wehner, Christian Traugott Wimmer, und seit 1821 August Friedrich Hösel.

In der Reihe der sämmtlichen früheren Pastoren hiesigen Ortes, die auf dem ersten Blatte des ältesten Kirchenbuches, obwohl von einer späteren Hand aufgezeichnet sind, finden sich noch vor Christoph Gensel: Melchior Ries, Matthias Trommer, George Reichel, und Paul Wagner. Welche Angabe ebenfalls auf ein, wenigstens 50 bis 60 Jahre vor 1613 hier bestandenes Pfarramt zurückweiset.

Als derzeitige Schullehrer sind hier angestellt:
Christian Gotthold Müller in der oberen Schule mit 115 Schulkindern; und Friedrich August Melzer in der niederen Schule mit 134 Schulkindern. Als Fabrikschullehrer K. Julius Habermann, mit 30 Schulkindern. beide letztere erst seit 1840 hierher vociret [versetzt worden].

Noch bemerkenswert ist das auffallend steigende Verhältnis der Geborenen hiesigen Ortes; denn es sind im Jahre 1637 (4) nicht mehr als 9 Kinder, als 1 Sohn und 8 Töchter; im Jahre 1737 nur 20 Kinder, als 15 Söhne und 5 Töchter, dagegen im Jahre 1837, 100 Kinder, als 54 Söhne und 46 Töchter, hier geboren worden.


  1. Die Bornwaldfabrik
  2. Nur Geld
  3. Ein Irrtum; richtig muss es 1632 heißen.
  4. Ein unsinniger Vergleich, schließlich lag 1637 am Tiefstpunkt des 30-jährigen Krieges im Ort!