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Tischtennisball-Fabrik

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Technologie: Die Qualitätskontrolle

Nach der Herstellung konnten die Tischtennisbälle noch nicht verpackt werden. Die hohe Streuung der Qualität erforderte ein Sortieren. Hätte man nun wirklich nach den Richtlinien des internationalen Tischtennisverbandes sortiert, kein einziger Ball wäre mit drei Sternen versehen worden, ja kaum einer mit 2 Sternen! Also mussten sich die internationalen Richtlinien der DDR-Wirklichkeit anpassen.

Sichtkontrolle
Bälle voll Wasser, mit eingedrückten Seiten, pfannkuchenförmig oder mit Löchern und Falten kommen regelmäßig bis in die Endkontrolle; obwohl die Arbeiter beim Aufblasen das eignetlich bemerken könnten. Aber warum sollten sie ihr Ergebnis drücken? - Also läuft das Produktionsergebenis Tag für Tag auf Transportbändern vor den Prüferinnen vorüber, und diese werfen den Ausschuss in eine Kiste.
Kontrolle des Schwerpunktes
Sind beide Hälften des Balles nicht gleichschwer, kann der Ball weder geradeaus springen noch geradeaus rollen. Für anspruchsvolle Spieler ist das nicht zu akzeptieren. Daher rollen alle Bälle über eine Glasplatte: Geradeaus geht es in die Kiste mit den Guten, links und rechts zu den Schlechten. Natürlich kann ein Ball Glück haben und genau quer zur Naht rollen - SO rollt jeder Ball geradeaus. Daher müssen die Bälle mehrmals über diese Platte. Einst gab es sogar ein kunstvolles System mehrerer verketteter Platten, und nur der Ball. der es bis zur letzten schaffte, kriegte seine drei Sterne.

Mit ein wenig Wahrscheinlichkeitsrechnung und dem Wissen um die Art, wie internationale Kommissionen testen, zeigt sich jedoch, dass bereits EIN Testlauf solch ein Gremium in jedem Fall zufriedenstellen würde. Die Welt will betrogen sein ...

Gewichtskontrolle
Ein Ball darf 2,400 Gramm wiegen. Bereits 20 Milligramm mehr oder weniger genügen für den Verlust eines Sternes. Natürlich kann kein Spieler solch einen Unterschied ohne Waage feststellen (auch wenn das immer wieder behauptet wird); aber Vorschrift ist Vorschrift. Die Kandidaten für 3 Sterne werden auf einer automatischen Waage Stück für Stück gewogen und je nach Gewicht in verschiedene Kisten sortiert. Tolle Technik - 1967 aus dem Westen (BRD) geliefert. Diese betagte Maschine hätte mich fast vor den Kadi gebracht, hatte ich mir doch einst zur Messe in Leipzig vom (West-)Hersteller ein Datenblatt geben lassen!
Kontrolle der Sprunghöhe
Man hatte das mal versucht, da die internationalen Regeln Werte vorschreiben. Wird die Zelluloid-Rezeptur eingehalten, werden die Bälle nach dem Kleben und dem Aufblasen solange wie erforderlich getrocknet und nicht zu stark aufgerauht, ist die Sprunghöhe kein Problem. Für unsere Bälle war sie aber eins, und zwar ein Unüberwindliches. Also schaffte man diese Prüfung ab. Übrigens zeigt die Wahrscheinlichkeitsrechnung, dass mehr als 200 Sprünge erforderlich sind, um mindestens die Hälfte der schlechten Bälle herauszufischen.
Kontrolle der Haltbarkeit
Natürlich sollte man das nur stichprobenartig kontrollieren ... Allerdings wich die einstige Versuchsanordnung dazu doch merklich vom Tischtennis-Alltag ab: Eine Kurbelwelle bewegte einen Stößel hin und her, der seinerseits immer wieder einen Ball eindrückte. Bis der ein Loch hatte.
Immerhin zeigte sich, dass mit Glasmehl aufgerauhte Bälle nach 2.000 Stößen brachen, mit Bimsstein aufgerauhte nach 10.000 immer noch intakt waren. Das wäre wohl des Nachdenkens wert gewesen. Doch standen 1988 noch 20 Tonnen Glasmehl im Lager, der Bedarf für 5 Jahre. Also blieb alles beim Alten.

Nun sollten also Kisten mit Bällen verschiedener Qualität dastehen. Doch alle Aussortiererei war (wie beschrieben) nicht sehr gründlich durchdacht; so dass in jeder Kiste alles zu finden war. Das störte in der DDR keinen! Zwei Maschinen stempelten die Sterne auf die Bälle, eine weitere half beim Einfüllen in die länglichen Schachteln - wenn sie ging. Denn das war wohl die am meisten reparierte Maschine im Betrieb.

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Ja, sie haben es schon bemerkt: Der Produktionsprozess bekommt eine Menge Kritik ab. Verdient aber hatte sie eigentlich die Leitung, der ganze sozialistische Leitungsstil. Immer mehr Bälle musste Krumhermersdorf produzieren, und es wurden immer schlechtere, die immer schneller zerbrachen. Und dadurch wurden noch mehr gebraucht - ein Teufelskreis für die Mangelwirtschaft der DDR! Doch wie zu Qualität zurückzukehren sei, bestimmten nicht die, die es noch wussten. Sondern Parteisekretäre und Leute im fernen Stammbetrieb, die höchstens mal herkamen, um die Nase zu rümpfen.


C+H Doerffel
Krumhermersdorf 1999
Die Pauli-Fabrik, genannt "Die Plaste"
Die Technologie
Rationalisierung a la DDR
Masse statt Klasse
Die Wende - das Ende
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