Die
Tischtennisball-Fabrik

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1986 - 1987 - 1988 - 1989 :   Masse statt Klasse

Seit der Mitte der 80er Jahre bestand die Forderung, mit gleicher Anzahl von Arbeitskräften jedes Jahr erheblich mehr zu produzieren. Eigentlich hätte man untersuchen müssen, warum dieser oder jener Arbeitsgang so und nicht anders ablief. Was davon Vorurteil, was Erfahrung war. Wo Zeit vergeudet wurde und wo die Zusammenarbeit nicht stimmte. Man hätte jemand gebraucht, unvoreingenommen mit wachen Blick und guter Sachkenntnis. Und hätte die Entdeckungen dann umsetzen können in Rationalisierung und bessere Organisation. Statt dessen wurden mehr Überstunden angeordnet, wurde die Qualitätskontrolle eingeschränkt, wurden notwendige Lagerzeiten erheblich verkürzt.

Natürlich gab es auch einige Mechanisierung: Die dampfbeheizten Pressen zum Aufblasen der Bälle, die sich drehenden Tische für das Tiefziehen und und Verkleben, die Lichtkästen mit Förderband für die optische Prüfung der Bälle. Gleichzeitig wurden aber auch katastrophale Fehlentscheidungen gefällt, weil keiner damals im Betrieb wusste, was bei den einzelnen Arbeitsgängen wirklich passierte. Es interessierte auch keinen ... So stiegen Stückzahl, Preis und Ausschussquote. Die Qualität aber sank soweit, dass kein organisierter Tischtennis-Sportler mehr mit DDR-Bällen spielte.

Zuletzt - 1988/89 - gab es überhaupt keine Qualitätskontrolle mehr. Der Chef bestimmte früh, wieviel Bälle mit einem, mit zwei und mit drei Sternen zu bedrucken waren. Beim Verpacken wurden lediglich die völlig vermurksten Bälle herausgefischt: Seitlich offene, solche voll Wasser, Pfannkuchen, Bälle mit Falten ...

Warum nur wurde die Qualität immer schlechter? So merklich schlechter, dass der Plan in Gefahr geriet? Man fragte mich, den Technologen. Wenn ich aber sagte: Die Bälle müssen länger trocknen nach dem Verkleben, und im Trockenraum muß muss die Luft voller Lösungsmittel abgesaugt werden, und dort müssen ständig 38 øC sein und nicht nur von 6 - 14 Uhr, dann hieß es, man wolle realistische Antworten haben. Von fast allen:

Nur die immer pessimistische ehemalige Qualitätsbeauftragte stimmte mir zu. Früher sei von früh um fünf bis 16 Uhr geheizt worden, früher hätte man 4 Wochen gelagert und nicht drei Tage, und der Transportarbeiter lasse die Bälle immer viel zu lange im Glasmehl aufrauhen!

30 Prozent Ausschuss! Früher hatte man 3 bis 5 Prozent.
Man hätte die Lagerzeit verdoppeln sollen - damit hätte man einmal in einem Monat 10% weniger Bälle zur Verfügung gehabt; aber auch nur noch 5% Ausschuss. Es wäre den Versuch wert gewesen. Aber was war denn dafür zu erwarten? Im besten Fall gar keine Reaktion von oben, im schlechtesten jedoch ein heftiger Ansch.... Also änderte sich nichts. Man produzierte, was keiner haben wollte.

Das ging genau solange, wie die Käufer lediglich die Wahl hatten zwischen kaufen und nicht kaufen. Zwischen Anfang und Mitte 1990 war damit Schluss - genau solange hatte die Tischtennisballfabrik Zeit, zu Weltmarktqualität zu finden und diesen Weltmarkt zu erobern. Aber natürlich, wie überall im Osten hat man diese Chance nicht genutzt ...


C+H Doerffel
Krumhermersdorf 1999
Die Pauli-Fabrik, genannt "Die Plaste"
Die Technologie
Die Qualitätskontrolle
Rationalisierung a la DDR
Die Wende - das Ende
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