Umweltschutz
vor Ort

Der Dorfbach ist des Ortes Zierde

Ein wenig abseits der Straße am Bach steht eine riesige Weide. Eine Bank darunter lädt an warmen Sommerabenden zum Verweilen mit seinem Schatz ein, und blühendes Gebüsch vermittelt Geborgenheit ...

Ein romantischer Gedanke, und hier und da zeigen Gemeinden Lust und Liebe und nutzen die Gegebenheiten, inmitten von Verkehr und Gewerbe eine Insel der Ruhe und des Verweilens zu schaffen.

Was, noch eine vermüllte Radau-Ecke für die Halbstarken? Mein Lieber, dafür haben wir weder Geld noch Lust, es reicht völlig zu, was ständig an den Bushaltestellen los ist. Und außerdem gibt es in Krumhermersdorf keine dazu geeignete Fläche, die Bachufer sind durchweg Privatgrundstücke. Lass mal die Kirche im Dorf und den Bach in seinem Bett!

Noch zur Suppenzeit 1888 floss der Dorfbach weithin so, wie ihn die Natur in die Landschaft gelegt hatte. Bauern und Häusler nutzten ihn als Viehtränke und für das Bewässern des Gemüsegartens, bis er zweimal in kurzer Zeit - 1890 und 1899 - zum reißenden Fluß wurde, Ufer und Gärten zerstörte und gar Todesopfer forderte. Daraufhin ließ ihn die Gemeinde ausmauern wie einen Kanal, damit er künftige Hochwässer schneller ableiten werde ...

Der Bach im Heimaltal

Schulfest 1935
Dieses Spiel für Kinder mit Gesang und Tanz wird von der Unteren Schule aufgeführt.

Im schönsten Wiesengrunde ist meiner Heimat Haus, da zog ich manche Stunde ins Tal hinaus. Dich, mein stilles Tal, grün ich tausendmal!

So singen die Kinder in der Schule. In die Schule führt uns der Anfang des Spieles. Was macht unser Heimattal besonders schön: Das ist der Bach. Wie reich der Bach uns macht, das spüren wir am stärksten, wenn wir den Lauf entlang spazieren. Was nun folgt ist der Lebenslauf eines Baches. Das Bächlein wird geboren! Es drängt sich aus dem Inneren eines Berges an das Tageslicht. Im Berginnern sehen wir Zwergmännlein bei der Bergarbeit. Frühling ist's! Osterzeit! Wir erleben eine lustige Geschichte vom Osterwasserholen. Weiter wandert das Bächlein seinen Weg im Wiesengrund durch lauter Pracht. Das Bächlein sieht einen Blumenball. Nach diesem lieblichen Maientanz belauschen wir den Wassermann. Ein grusliger Kerl! Das fürchten kann einer lernen in der verzauberten Mühle. Zwischen dieser Märchen- und Zauberwelt stehen frische und frohe Kindererlebnisse am Bach.

Im gemauerten Bett blieb kein Raum für die Forellen, die früher hier gefangen wurden - eigentlich schade, doch Fortschritt hatte halt seinen Preis. Im 20. Jahrhundert waren Fortschritt und Preis dafür erheblich: Trinkwasserleitung und Waschpulver erzeugten eine Menge Abwasser voller giftiger Laugen und Phosphate; der Bach musste es aufnehmen, zusammen mit den Färbe-Abwässern der Strumpffabriken. Mal kam rotes Wasser, mal blaues ... zur Mitte des Jahrhunderts waren nicht nur die Fische tot, sondern der ganze Bach.

Das reichte immer noch nicht! Die LPG streute jetzt viel weniger Stroh in ihren Ställen, statt dessen wurde täglich mit dem Schlauch durchgespült. Wo früher eine Jauchegrube einmal im Jahr entleert wurde, lief sie jetzt beständig über. Und zwar in den Bach - wohin auch sonst? Auch die vielen neuen WC's in den Häusern erzeugten mehr stinkende Brühe, als in den kleinen Klärgruben gesammelt werden konnte. Überall wurden Rohre zum Bach gelegt, an manchen Stellen sieht die Ufermauer heute noch wie gespickt aus!

Man sollte meinen, das reiche an Sünden ... Frohe Kindererlebnisse am Bach waren längst Geschichte, und schon die Jüngsten wussten Bescheid: Wer am Dorfbach spielt, kriegt Ausschlag. Übrigens brauchte man nicht besonders darauf hinzuweisen, der Gestank vertrieb die Kinder automatisch. Stück für Stück wurde darum der Bach in Rohre verlegt, wie es die großen Städte vormachten: Leipzigs Flüsse beispielsweise lagen im Stadtgebiet längst komplett unter der Erde. - Der Bach war tot, und seine Leiche würde demnächst entsorgt sein.



Natürlich kann ein Dorf auch ohne Bach leben. Auch ohne Wiesen, Wälder, Felder? Erst in den 80er Jahren begannen sich Leute zu fragen: Muss das so sein? - Im Oberdorf wurde ein Abwasserkanal gebaut und an eine große Klärgrube angeschlossen, Mittel- und Unterdorf mussten der Wende wegen noch eine ganze Weile warten. Dafür konnten sie jetzt die Umweltsünden der LPG öffentlich machen - und (offenbar nur sehr unwillig) wurden die Güllekanäle vom Dorfbach getrennt. Die Fabrik-Abwässer erledigten sich von selbst mit dem Industrie-Kahlschlag im Osten. Schließlich sorgten Wasserzähler in allen Haushalten und drastische Wasserpreise für merklich weniger Abwasser. - Und der Bach stinkt immer noch!

Vielleicht nicht mehr so schlimm wie früher, mag sein.
   Aber ein Bach soll gar nicht stinken!
Ist immer noch zuviel fauliger Schlamm im Bachbett? - Wohl kaum, spätestens das Hochwasser 2002 hat den ausgemauerten Bachlauf gründlich gereinigt. Wohl aber gibt es immer noch tropfende Rohre in den Ufermauern, gibt es immer noch Häuser, die nicht an den Abwassersammler angeschlossen sind, gibt es noch jede Menge abgedecktes Bachbett, wo weder Sonne noch Sauerstoff beim Reinigen helfen können.

Wenn wir das Problem ganz unvoreingenommen betrachten wollen, etwa mit den Augen des Weimarer Ministers Goethe (den faulen Pfuhl noch abzuziehn, das ... wär das Höchst-Errungene), dann würde uns selbst bei einem geruchsfreien Bach noch Verschiedenes fehlen: Forellen etwa, oder knorrige Erlen an ungezählten Bachwindungen und eine Bank unter der riesigen Trauerweide ...